Die Ausstellungen
Das Konzept von A Living Memorial –
Mahnmahlprojekt gegen das Vergessen, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus
sah 7 Projektteile vor, Ausstellungen, welche jeweils einer anderen Farbe (Braun, Grün, Blau, Rot, Gelb, Weiß/Grau und Schwarz) und einer damit im Zusammenhang stehenden Symbolik zu geordnet werden sollten. Jeder Projektteil hatte mit Blick auf die Zielsetzungen einen anderen künstlerischen Inhalt, andere Aspekte zu transportieren, die zwar jeder für sich stehen sollten, aber letztlich erst in der Gesamtheit eine Einheit bildeten.
Sinn dieses vielteiligen und vielseitigen Vorhabens war es, diese Projektteile immer wieder zeitgleich oder auch zeitlich versetzt an verschiedenen Orten einer anderen Region oder größeren Stadt als Farbräume zu installieren. Bei den Austragungsorten sollte es sich zumeist um Örtlichkeiten handeln, die zuvor keinen unmittelbaren Bezug zu Kunst hatten. Durch die Installation wurden diese zu Kunsträumen und veränderten damit ihre Identität und die Wahrnehmung des Orts durch den Betrachter (zumindest) während der Dauer der Ausstellung.
Es handelte sich um ein langfristig angelegtes, zeitlich unbegrenztes dynamisches Vorhaben, welches weit über die Aspekte „Kunst“, „Gedenken“ und der „Auseinandersetzung mit dem Holocaust und Hitler’s Totalitarismus“ hinausging. Es war darauf hin angelegt, den Betrachter zu aktivieren und selbst kreativ zu werden, zumal optional aus Anlaß der Ausstellung ergänzende Veranstaltungen, wie Vorträge, Diskussionen und anderes mehr durchgeführt werden sollten,
Ausgehend von der ursprünglichen Ausstellung „1000 Jahre, 50 Jahre und noch stets so schrecklich jung“, welche Inhalt des „Braunen Raumes“ wurde – „Braun“ steht dabei in erster Linie für den Sumpf der Naziideologie, – „Blut und Boden“- und während der Projektdauer in seinem Umfang weitgehend unverändert blieb, war das Vorhaben des Mahnmalprojektes auf einem guten Weg, als dessen Entwicklung im Herbst 1998 durch einen Anschlag jäh beendet wurde. Das eigentliche Vorhaben des Mahnmalprojekts blieb also weitgehend unvollendet. Dabei wurde die „Ruine“ des Vorhabens selbst zum Mahnmal der eigenen Zielsetzungen, was in der Folge aber nicht dazu führte, diese verbleibende Ruine tatsächlich nochmals oder überhaupt als Mahnmal zur Ausstellung zu bringen. Aus Sicht des Jahres 2016 stellt sich dabei natürlich die Frage, wie mit dieser Ruine umzugehen ist, nachdem in diesen Tagen eine Anzahl von Objekten rekonstruiert wurden.
Besonders war dieser „Braune Raum“ von den Auswirkungen des Anschlags in Mitleidenschaft gezogen. Eine Vielzahl der Ausstellungsobjekte wurde derart geschädigt, daß es aus damaliger und heutiger Sicht keinen Sinn machte, die Gesamtheit der Ausstellung zu rekonstruieren. Hingegen war dies bei einzelnen Objekten sehr wohl möglich.
Die Entwicklung des „Blauen Raums“ und des „Grünen Raums“ war zur Zeit des Anschlags bereits weit fortgeschritten, was sich in der dynamischen Zusammenstellung der Ausstellungsinstallationen manifestierte, und bei der Installation des „Roten Raums“ in Gladbeck handelte es sich eher noch um ein Experiment auf der Suche nach einer idealen Integrierung neuer, teilweise Computer gesteuerter Medien, jedenfalls soweit dies zum damaligen Zeitpunkt möglich war.
Der „Blaue Raum“ schloß als eine Basiskomponente eine mehrteilige Reihe von Bildobjekten mit dem Haupttitel „Jeder ist ein Künstler“ mit ein, was sich auf ein Beuys Zitat berief. Während Beuys selbst nicht erläuterte, um wen es sich tatsächlich dann um diesen Künstler handelte, führen dies die Bildobjekte jedoch explizit aus. Zudem handelte es sich bei dem „Blauen Raum“ um eine Gegenüberstellung historischer und aktueller Phänomene mit einem starken Bezug zu „Täter“ und „Opfer“ und deren Wahrnehmung in der Gesellschaft. Die Farbe „Blau“ bezieht sich aber auch auf die Farbe der Flagge des Staates Israel.
Die Farbe „Grün“ weist auf Leben, Ruhe, Überleben und damit auch auf Hoffnung. Mit Blick auf den Inhalt dieses Farbraums sind diese Deutungen ambivalent, denn die darin installierten Bildobjekte transportieren Dokumente untergegangener jüdischer Kultur und stellen diese der Begrifflichkeit von Sprache – deutsch und – alternativ dazu, englisch – gegenüber.
In Osteuropa einem einstigen riesigen Siedlungsgebiet von Juden, in denen diese zumeist sogar die Mehrheit der Bevölkerung bildeten, gab es zu dem Zeitpunkt, als der Künstler Osteuropa nach dem Fall der Berliner Mauer bereiste, es gerade auf polnischen Boden oft keinerlei Hinweis mehr, daß Juden da überhaupt und zudem über viele Jahrhunderte lebten. Oft waren es verwilderte jüdische Friedhöfe außerhalb von Ortschaften, welche nach eingehenden Recherchen dann doch noch Hinweise auf einstigen jüdisches Leben lieferten.
Der Künstler dokumentierte eine Vielzahl solcher jüdischen Friedhöfe, die aber tatsächlich nur wenig über die Lebenden und deren Kultur aussagen. Dennoch stellen sie vielfach den einzigen Ansatzpunkt für weitergehende Recherchen dar. An der Entvölkerung dieser einstigen jüdischen Siedlungsgebiete war jedoch nicht allein die Vernichtung von Juden während des Holocausts schuld, sondern zuvor bereits die vielfach unerträglichen Lebensbedingungen der Armut, in der die Familien der „Ostjuden“ lebten. Viele suchten ihr Heil in der Emigration, falls sie nicht zuvor durch lokale Progrome getötet oder vertrieben wurden. Die systematische Vernichtung der Juden während des Holocausts vollendete lediglich die Entwicklung der Entvölkerung, welche historisch gesehen aber weit früher begann.
Die Farbe Grün denkt dabei auch an die vielen Überlebenden, welche ihr Siedlungsgebiet schon vor dem Holocaust verließen und so eine Hoffnung für den Fortbestand jüdischer Kultur in aller Welt darstellten.
Die Objekte dieser Ausstellung basierten zum Teil aus fotografischen Dokumentationen des Künstlers, welche, da die Negative teilweise noch existieren, neu aufgelegt und so zum Teil wieder hergestellt werden können. Eine umfangreichere Rekonstruktion dieses grünen Raums ist darum noch am ehesten vorstellbar.
Die Farbe „Rot“ , welche den „Roten Raum“ prägt, steht nicht nur für das Blut der Opfer, welches die Täter vergossen haben, sondern auch für die unvorstellbare Aggression letzterer, welches das Höllenfeuer und damit den Holocaust entfachten. Die Ausstellung in der Städt. Galerie Gladbeck bestand aus einer Rauminstallation von Objekten, welche, auf fotografischen Elementen gemischt mit bewegten Bildern, sich aufbauend, kollagenhaft sich eines Raums bemächtigten, in dem der Besucher sich selbst als Eindringlich empfinden mußte. Mit etwas materiellen Aufwand ließe sich diese Rauminstallation wieder rekonstruieren.
Was die Kunsträume bzw, Ausstellungen mit Blick auf all die anderen Farben anbelangt, welche dann 1998 auf Grund des Anschlags nicht mehr zur Realisation kamen, so stellt es eine Mutmaßung dar, wie der Künstler diese inhaltlich und ästhetisch ausgestaltet hätte, denn die dafür zu initiierenden künstlerisch, konzeptionellen Prozesse wurden führten noch zu keinem Ergebnis, somit erübrigen sich auch Überlegungen, etwas nicht Realisiertes heute zu rekonstruieren.
Die Gründe, welche für eine Rekonstruktion dessen, was von dem Anschlag als „Ruine“ bruchstückhaft übrigblieb, sprechen, ist das 2015 durch Agricola de Cologne aus Anlaß der aktuellen Flüchtlingskrise, welche zugleich auch Ausdruck einer Krise der westlichen Gesellschaft darstellt, initiierte Projekt „://self~imaging – artist show face against Intolerance, Racism, Xenophobia and Antisemitism, mit Zielsetzungen, welche bereits vor fast 20 Jahren das Projekt „A Living Memorial“ transportierte und heute mindestens genauso aktuell wie damals sind.
Nichts könnte besser den Wahnsinn der abartigen Naziideologie darstellen als die Überbleibsel eines durch Neonazis zerstörten Kunstwerks, nichts könnte besser den Zweck eines Mahnmals erfüllen.
Die damit im Zusammenhang stehenden Fragen sind in Zukunft zu beantworten.